Ein Instrument des Frontalunterrichts
Ein teurer Touchscreen ersetzt die traditionelle Tafel, ein elektronischer Stift die Kreide. Ein kurzes Schulterklopfen, denn jetzt ist der Klassenraum modern. Endlich ist die Schule angekommen im digitalen Zeitalter! Jetzt ohne viel Aufwand Videos, PowerPoint-Präsentationen und andere visuelle Darstellungen an die Tafel werfen. Ach, und schreiben und zeichnen, wie auf einer Kreidetafel geht übrigens auch. Vielleicht findet sich auch mal Zeit für eine Aufgabe, bei der ein Schüler oder eine Schülerin ein Wort mit dem Finger in ein Wortfeld zieht…
Ganz neue und moderne Möglichkeiten des interaktiven und kooperativen Lernens versprechen uns die Anbieter digitaler Tafeln. Fortschritt sei nur ein Klick auf den Einkaufswagen entfernt. Zwar stellen Befürworter digitaler Tafeln zurecht das interaktive und kooperative Lernen in den Vordergrund – Elemente, die für einen schüler:innenzentrierten und kompetenzorientierten Unterricht entscheidend sind und den traditionellen Frontalunterricht in den Hintergrund rücken. Doch gerade, wer auf die lernförderlichen Potenziale eines schülerzentrierten Unterrichts setzt, sollte den Widerspruch in der Behauptung erkennen, dass digitale Tafeln interaktiven und schüler:innenzentrierten Unterricht ermöglichen. Diese Aussage steht im starken Gegensatz zur tatsächlichen Funktion der Tafel. Denn ob digital oder nicht – die Tafel war und ist in erster Linie ein Werkzeug für den Frontalunterricht.
Ein Symbol für zu kurz gedachte Digitalisierung?
Die digitale Tafel kann als Symbol dafür gesehen werden, wie Digitalisierung im Bildungswesen oft missverstanden bzw. zu kurz gedacht wird. Wer Digitalisierung lediglich mit der Einführung moderner digitaler Geräte gleichsetzt, und damit den Digitalisierungsprozess als abgeschlossen ansieht, verpasst das eigentliche Ziel. Es geht nicht darum, digitale Geräte, um ihrer selbst Willen einzuführen, sondern darum, Unterricht besser, also lernförderlicher zu gestalten. Im Vordergrund sollte vielmehr die Frage stehen: Was ist wichtig für einen lernförderlichen Unterricht und wie können digitale Möglichkeiten die didaktischen Anforderungen an den Unterricht unterstützen oder optimieren?
Schweden, ein Land, das in Bezug auf Digitalisierung im Bildungswesen oft als Vorreiter galt, hat uns vor einigen Jahren gezeigt, dass die bloße Bereitstellung von Geräten noch lange keine Verbesserung des Unterrichts garantiert. Die Technologie muss sinnvoll in den Unterricht integriert werden, ansonsten bleibt sie nur ein teures Accessoire. Werden die Geräte ohne didaktische Überlegungen eingesetzt, verändern sich die Lernprozesse kaum oder gar nicht. So bleibt das enorme Potenzial digitaler Technologien ungenutzt.
Digitale Ressourcen als Chance für Unterricht
Ein Bildungssystem, das im digitalen Zeitalter wirklich „ankommen“ will, muss seine Grundprinzipien neu denken. Digitalisierung im Bildungsbereich bedeutet nicht nur, alte Strukturen mit neuen Geräten auszustatten. Es geht vielmehr darum, Lehr- und Lernprozesse grundlegend der Lebensrealität der Schülerinnen und Schüler anzupassen.
Darüber hinaus sollte der Unterricht digitale Geräte und Medien nicht allein deshalb integrieren, weil sie als modern gelten, sondern vielmehr gezielt in den Situationen einsetzen, in denen sie einen echten Mehrwert bieten. Im Geschichtsunterricht kann die Lehrperson beispielsweise hinterfragen, inwiefern digitale Zeitzeugenprojekte, Lernvideos oder digitale Spiele Chancen und Risiken für die Förderung historischer Kompetenzen mit sich bringen. Über fachdidaktische Überlegungen hinaus sollte zudem reflektiert werden, wann und in welchen Unterrichtssituationen digitale Geräte differenziertes, kollaboratives und allgemein lernförderliches Arbeiten ermöglichen.
Schulen müssen also nicht lediglich mit Geräten ausgestattet werden, sondern Lehrkräfte müssen geschult werden, um diese Technologie sinnvoll und didaktisch gewinnbringend zu nutzen.
Die digitale Tafel ist zunächst nichts weiter als eine Tafel mit einigen modernen Funktionen. Sie bleibt jedoch primär ein Instrument für frontal unterrichtende Lehrende. Für die Schülerinnen und Schüler ändert sich wenig – auch die digitale Tafel dient vor allem der passiven Informationsaufnahme. Die Einführung eines interaktiven Whiteboards führt daher kaum zu einer grundlegenden Veränderung des Lernprozesses. Lediglich für die Lehrperson wird das Präsentieren von Aufgabenstellungen und Materialien erleichtert.
Mehr in Richtung umfassender digitaler Transformation könnte es bei der Bereitstellung von Tablets gehen, denn diese bieten im Gegensatz zu Tafeln echte Möglichkeiten aktiv mit digitalen Medien und Tools zu arbeiten. Sie eröffnen neue Möglichkeiten zur Individualisierung, Differenzierung und Kooperation.
Fazit: Worauf es ankommt
Die digitale Tafel kann nicht das zentrale Instrument eines schüler:innenzentrierten und kompetenzorientierten Unterrichts sein. Sie bleibt jedoch ein nützliches Hilfsmittel, besonders beim Präsentieren von Aufgabenstellungen oder beim Besprechen und Diskutieren von Lernprodukten. Ob dafür jedoch ein interaktives Whiteboard notwendig ist, stelle ich infrage. Ein Tablet, verbunden mit einem Beamer, erfüllt für viele Unterrichtssituationen denselben Zweck. Die Entscheidung, ob nun ein Beamer, eine digitale Tafel oder zusätzlich noch eine traditionelle Tafel verwendet wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab – nicht zuletzt auch von finanziellen Aspekten. Die Hauptfunktion dieser Tafeln bleibt jedoch die gleiche: Sie dienen als Projektions- und Präsentierfläche. Und vielleicht müssen sie auch gar nicht mehr sein.
Es muss jedoch anerkannt werden, dass die digitale Tafel, so nützlich sie auch sein mag, den Unterricht nicht grundlegend verändern kann. Die interaktiven Elemente dieser Tafeln kommen nicht den Schüler:innen zugute. Bei der Bereitstellung von Tablets hingegen erhalten Schüler:innen die Möglichkeit, aktiv mit digitalen Ressourcen zu arbeiten. Grundsätzlich sollten die digitalen Geräte als Instrumente und nicht als Selbstzweck verstanden werden. Sie ermöglichen Zugang zu digitalen Medien, Tools, Plattformen und Ressourcen. Diese gilt es gezielt im Lernprozess zu integrieren, wenn sie lernförderlich sind. Nicht jedes neue zelebrierte digitale Tool muss im Unterricht integriert werden.
Digitale Technologien müssen gezielt eingesetzt werden, um Lernprozesse zu bereichern und die notwendigen Kompetenzen für die digitale Welt zu fördern. Für die Lehrpersonen ist es entscheidend zu hinterfragen, wie digitale Ressourcen den Unterricht unterstützen, Differenzierung und Kooperation ermöglichen und dabei helfen, fachdidaktische Ziele effizient zu erreichen.
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